Die Familie, der beste Schutz
Es ist nicht bloss eine schöne Rede, wenn Jenische die Wichtigkeit der Familie immer wieder betonen. Eine Volksgruppe, die seit Menschengedenken Ausgrenzung, Verkennung, Abwertung, Verfolgung erlebt hat, namentlich auch von Behördenseite, ist es gewohnt, sich auf die Familie zu stützen.
«Familie» bezeichnet nicht nur die Kleinfamilie mit Eltern und Kindern, sondern schliesst Kindeskinder und Grosseltern, Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen ein: Das umfasst die weitere Verwandtschaft, die Sippe, den Clan, wie immer man das nennen will.
Die Zugehörigkeit zur eigenen Familie und zu den Familien der Eltern und Grosseltern ist Jenischen immer bewusst. Sie wissen auch genau, woher jeweils eine jenische Grossfamilie stammt. In der Schweiz sind das etwa die Moser, Waser, Gruber, Huber, Birchler, Kollegger, Graf, Graff, Huser, Mehr, Gerzner und so weiter; der Bericht einer eidgenössischen Studienkommission aus dem Jahr 1983 zählt 74 Familien auf. Die Kollegger beispielsweise stammen aus Obervaz (GR), die Moser ebenfalls, die Gruber aus Surcuolm (GR) und die Huser aus Magliaso (TI).
Die traditionellen Familien haben eine so grosse Bedeutung, dass einzelne Opfer der Pro Juventute dafür gekämpft haben, ihre früheren Familiennamen zurückzuerhalten, die sie durch die Kindswegnahmen und Behördenentscheide verloren hatten – erfolgreich übrigens. So knüpfen sie an die jenische Herkunftsfamilie an.
Die Familienstruktur prägt auch gesellschaftliche Debatten. Jenische entscheiden politische Fragen nicht durch ein Parlament oder gar durch eine repräsentative Regierung; ihre Entscheidungsform ist die Beratung, der Austausch, die Kommunikation zwischen Meinungsführern der Familien.