Verfolgt im Namen der Wissenschaft
Die ersten eugenisch oder «rassenhygienisch» begründeten Zwangssterilisationen und Zwangskastrationen in Europa fanden in der Schweiz statt, die allerersten an Patienten der psychiatrischen Klinik Burghölzli in Zürich unter deren Direktor Auguste Forel um 1890 sowie unter dessen Nachfolgern Eugen Bleuler, Hans Wolfgang Maier und Manfred Bleuler. Auch in anderen schweizerischen psychiatrischen Kliniken wie Wil im Kanton St. Gallen und Spitälern diverser Kantone wurden in der Schweiz bis in die 1980er Jahre hinein Tausende von angeblich «erblich Minderwertigen» zwangssterilisiert, grösstenteils Frauen. Seit 1920 wurden in der Schweiz auch Sterilisationen und Kastrationen mittels Röntgenbestrahlung in hoher Dosis durchgeführt. Im schweizerischen Kanton Waadt wurde im Jahr 1929 das erste Gesetz zur eugenischen Zwangssterilisation in Europa erlassen; es wurde erst 1985 aufgehoben.
Manche der Opfer waren Jenische. Die theoretischen Grundlagen zur eugenischen Misshandlung von Jenischen hatte der Bündner Psychiater Josef Jörger mit seinen «psychiatrischen Familiengeschichten» jenischer Mitbürger gelegt, worin er diese als erblich minderwertig hinstellte. Quellenhinweis: Eine der frühen Darstellungen der eugenischen Anfänge in der Schweiz findet sich im Buch von Willi Wottreng: «Hirnriss. Wie die Irrenärzte August Forel und Eugen Bleuler das Menschengeschlecht retten wollten». Weltwoche-Verlag, 1999. (ISBN 3-85504-177-6)
Das Deckelbad, wie es in psychiatrischen Anstalten verwendet wurde zur Ruhigstellung von Patientinnen und Patienten: Illustration von Sandra Niemann, nach einem Objekt in der damaligen Zürcher Klinik «Burghölzli». (Illustration zum erwähnten Buch «Hirnriss»)
- Interview mit dem Psychiater und Rassenhygieniker Benedikt Fontana Der Psychiater und Leiter der Psychiatrischen Klinik Waldhaus in Chur, Dr. Benedikt Fontana, war ein Rassenhygieniker. Er bekämpfte die Lebensweise der Jenischen, die er als «Vaganten» betrachtete. In einer Dissertation über eine jenische Grossfamilie warf er den Jenischen einen vererbbaren «Wandertrieb» und andere «Laster» vor. Mit Zwangsmassnahmen wie Elektroschocks versuchte er, das angebliche Laster auszumerzen. Interview mit Benedikt Fontana aus der Filmdokumentation «Die Verfolgung der Jenischen in der Schweiz 1926 bis 1973», Thomas Huonker (Red.), Radgenossenschaft der Landstrasse (Hrsg.), DVD 2007. (1 Min. 40)